Die letzten 100 „schwierigen“ Hunde…
die mir als problematisch, kritisch, gefährlich bzw. schwierig vorgestellt wurden, habe ich hinsichtlich der nach einer Verhaltensanalyse erkannten „Problemzonen“ mal in einer Statistik zusammengefasst.
Dass dabei die Mehrzahl der Hunde doppelt oder gar mehrfachbelastet waren, ist naheliegend. So haben eben Hunde, die ihre eigenen Besitzer beißen, häufig vordergründig Beziehungsprobleme. Und bei immerhin 18% der Hunde konnten gesundheitliche Störungen als Mitursache für problematisches Verhalten ausgemacht werden.
Was jedoch besonders bemerkenswert festzuhalten wäre: 60 von 100 Hunde zeigten innerhalb der Verhaltensanalyse erhebliche(!) erzieherische Defizite.


Unter erheblichen Defiziten ist beispielsweise zu verstehen, dass erzieherische Gehorsamsleistungen, wie Rückruf oder das Liegenbleiben in der Platz-Position unter Ablenkung quasi überhaupt nicht möglich war.
60 Hunde zeigten unter Ablenkung keinerlei Orientierung an ihren Menschen, ganz gleich, ob diese lautsprachlich oder auch körpersprachlich erzieherische Anforderungen vorgaben, Zugriffe waren unter Ablenkung nicht mehr möglich.
Jedem muss dabei klar sein, dass bei einem gänzlich fehlenden erzieherischen Zugriff des Menschen auf seinen Hund, zunächst für einen bestimmten Zeitraum, auch kein Training im Bereich des vorgegebenen Problemverhaltens möglich sein kann. So stand und steht bei sogenannten Problemhunden in der Mehrzahl der Fälle auch zunächst nur ein ganz bestimmtes Trainingsprogramm zur Disposition: die Beziehungsreform durch den Aufbau erzieherischer Grundlagen. Erst dann darf an ein problemspezifisches Training gedacht werden.
Wenn nun immer wieder behauptet wird, dass Erziehung immer auch Konditionierung bedeutet, ist das als pauschale Aussage genauso falsch, wie wenn man die ausschließlich funktionale Konditionierung als Erziehung deklariert.
Während nämlich erzieherische Erfolge auch unter Ablenkung und Belastung Bestand haben können, ist die funktionale Konditionierung unter bestimmten Belastungen eben nicht beständig bzw. zuverlässig – zumindest bei sehr vielen Hunden. Reine Konditionierungs-Modelle brechen zudem oftmals dann zusammen, wenn die (materiellen) Belohnungssysteme ausbleiben – oder die Attraktivität eines bestimmten Außenreizes einfach höher ist.
Während vor 50 Jahren der „Kadaver-Gehorsam“ noch an der Tagesordnung war (siehe Beispielfoto), haben wir es heute mit dem anderen Extrem, der „Samthandschuh-Pädagogik“, zu tun.

Warum um Himmels Willen tun wir uns nur so schwer, zu erkennen, dass Hunde unter beiden Extremen leiden und es tatsächlich auch eine „goldene Mitte“ in der Hundeerziehung geben kann.
Diese „goldene Mitte“ nennt man übrigens generell in der Erziehung „autoritativ“.
Eine Erziehung, die ausschließlich auf Gehorsamsdrill ausgerichtet ist, nennt man autoritär und eine Erziehung, die ausschließlich auf „positive Verstärkung“ ausgerichtet ist, nennt man permissiv.
Unter beiden ausschließlich angewendeten Erziehungsstilen leiden unsere Hunde.
Die autoritative Erziehung beinhaltet beide Komponenten, wobei autoritäres Handeln im Vergleich zur permissiven Ausrichtung verschwindend gering in Erscheinung tritt.
Aber sie ist dennoch gegenwärtig, wenn es um Begrenzungen, Reglementierungen und sogenannte „rote Linien“ geht.
Erklärung dog-community (kursive Schrift):
Der permissive Erziehungsstil ist durch Toleranz und Nachgiebigkeit gegenüber dem Kind/Hund geprägt. Feste Regeln, Kontrolle oder gar Bestrafung spielen nur eine geringe Rolle. Es gibt keine Richtlinien, an denen sich das Kind/Hund orientieren kann.)
Der autoritäre Erziehungsstil ist dabei durch eine starke hierarchische Ordnung in der Familie geprägt. An der Spitze stehen die Eltern bzw. die Erziehenden. Sie stellen strenge Regeln auf, üben Kontrolle aus, bestrafen Fehlverhalten und haben die alleinige Entscheidungsgewalt in allen Lebenslagen.
Der autoritative Erziehungsstil ist dadurch geprägt, dass es klare Regeln gibt, aber gleichzeitig viel Fürsorge, Liebe, Wärme, Wertschätzung und Unterstützung gegeben wird. Erziehende setzen ihren Kindern/Hunden in diesem Erziehungsstil Regeln und Grenzen, auf die bei Nichteinhaltung eine Konsequenz folgt.
Erziehung in der Definition
Wikipedia bringt zum Ausdruck:
(Zitatbeginn): Unter Erziehung versteht man die pädagogische Einflussnahme auf die Entwicklung und das Verhalten Heranwachsender. Dabei beinhaltet der Begriff sowohl den Prozess als auch das Resultat dieser Einflussnahme (Zitatende).
Selbstverständlich zählt dazu auch die Anpassung eines Individuums an soziale bzw. gesellschaftliche Erfordernisse. Anpassung bedeutet neben einer Einflussnahme auf optimale Sozial- und Umweltentwicklung auch Einflussnahme auf das Erkennen und Vermitteln von Grenzen, Regeln und Rahmenstrukturen im alltäglichen Zusammenleben.
Letzteres jedoch ist jedoch in erschreckend vielen Mensch-Hund-Beziehungen schmerzlich zu vermissen. Verpflichtende Gehorsamsleistungen brauchen wir selten und auch nicht viele. Und dennoch sollte es sie geben um Schaden von der Umwelt des Vierbeiners, von ihm selbst und letztlich auch vom ihn betreuenden Menschen und dessen Familie abzuwenden.
Doch anstelle solide erzieherische Gehorsamsleistungen (keine Versklavung) zu trainieren, wird gedealt und getrickst, um bloß keine angeblich stressfördernden Auseinandersetzungen zu riskieren.
Beim Loslassen von Gegenständen bzw. Spielobjekten oder Schweineohr werden beispielsweise Tauschgeschäfte initiiert, nur um eine erzieherischen Auseinandersetzungen mit dem Hund zu vermeiden. Dabei sind Tauschgeschäfte erzieherischer Selbstbetrug, da sie mit keinerlei Verpflichtungen für den Hund verbunden sind. Zudem erweisen sich Tauschgeschäfte bei sehr vielen Hunden auch bei optimalem Trainingsaufbau mittel- und langfristig als untauglich, da sie freiwillig bzw. über positive Verstärkung aufgebaut, im Falle von Interessenkollisionen ganz einfach im Alltag allzu häufig nicht zuverlässig funktionieren.
Viel effektiver ist hier die Vermittlung eines erzieherischen Anspruches (Loslassen des Schweineohrs ohne Vorhalten eines Tauschobjektes), stets verbunden mit einer nachfolgenden Belohnung (Wiedergabe des Schweineohrs oder einer alternativen Belohnung).
Der Schwerpunkt meiner Arbeit orientiert sich methodisch zweifelsfrei und überwiegend an der „positiven Verstärkung“. Hunde können damit eine hohe Lebensqualität erreichen, was autoritäre Erziehung nicht möglich macht.
Für einen im Einzelfall notwendigen erzieherischen Zugriff komme ich mit „positiver Verstärkung“ alleine aber sicher nicht weiter.
Das heißt, autoritäre und damit konsequente Handlungen können im erzieherischen Zusammenhang einen wertvollen Beitrag zur optimierten Sozialentwicklung leisten.
Allerdings nur, wenn sie frei von negativer Emotionalität sind (Wut, Aggression) UND wenn nach erfolgter autoritärer Handlung auch eine wohlwollende Kompensation (auf sozialer Ebene) erfolgt.
Autoritativ erzogene Hunde fürchten ihre Menschen nicht! Sie orientieren sich gerne an ihnen und zeigen deutlich mehr soziale Verbundenheit als zwanghaft zwangsfrei bzw. permissiv erzogene Vierbeiner.
Quelle: Thomas Baumann – Die letzten 100 „schwierigen“ Hunde… die mir als… | Facebook
Vielen Dank für die Freigabe durch Thomas Baumann